Kata Tekki 1-3: Stärke und Beweglichkeit aus dem Reiter-Stand!

Der „Eiserne Reiter“ (Übersetzung von Tekki) ist unbezwingbar durch seinen starken Stand, weshalb jeder gewissenhafte Karateka die Kata Tekki mindestens 10.000 geübt haben muss, bis sie wahrhaftig verinnerlicht ist!

Ein Artikel über die wichtigste Kata Serie im Karate, gewidmet meinem großen Vorbild Koichiro Okuma, dem Meister der Kata Tekki Shodan, Tekki Nidan und Tekki Sandan.

Historischer Ursprung der Kata Tekki

Die Kata Serie Tekki Shodan, Nidan und Sandan (= die japanischen Zahlen von 1-3) wurde schon von Meister Anko Itosu, dem Lehrer von Gichin Funakoshi, unterrichtet. Auch Generationen vorher wurde diese auf Okinawa Naihanchi genannte Form von Meister zu Schüler weitergegeben, aber noch als eine zusammenhängende Kata.

Daher dauerte es Jahre bis zur Beherrschung und zumeist durften Schüler auch keine andere Kata lernen bis Naihanchi gefestigt war. Um den Schülern das Üben zu erleichtern zerteilte Itosu die ursprüngliche Kata in Tekki Shodan, Tekki Nidan und Tekki Sandan.

Im kiba-dachi Stand verwurzelt sein mit der Erde

Was Tekki grundsätzlich von allen anderen Kata unterscheidet, ist die ausschließliche Bewegung im Seitwärts- oder Reiter-Stand, dem sogenannten „kiba-dachi“.

Dazu gibt es Interpretationen der Verwendung in engen Gassen, schlüssiger klingt aber der Ursprung im Nahkampf. Vor allem Würfe benötigen einen starken Stand, welcher auch in anderen Kampfkünsten bei Durchführung eines Wurfes dem kiba-dachi ähnlich ist.

Man sollte dabei das Gefühl haben, im kiba-dachi mit leicht aufgerollter Hüfte zu sitzen, nicht zu stehen. Beim Stehen nämlich arbeiten die Muskeln nach oben; im Sitzen aber lässt man das Gewicht von den Oberschenkeln über die Knie in die Fußsohlen sinken und verwurzelt sich damit im Boden.

Dabei ist es wichtig, eine Balance zwischen Spannung und Entspannung auf beiden Seiten der Beine zu finden (Innen- und Außenseite): bei zu viel Spannung verliert man die Beweglichkeit und kann ausserdem nicht lange stehen; bei zu lockerem Stand wiederum wackeln die Beine und vor allem die Knie.

Kata Tekki im Wandel der Zeit

Wenn man sich alte Karate Fotos zur Kata Tekki ansieht, erkennt man einen viel höheren Stand im kiba-dachi als heutzutage üblich. Einerseits liegt das daran, dass die alten Meister einen „natürlichen“ Stand lehrten, andererseits, weil im sehr tiefen Stand die Beweglichkeit der Hüfte verloren geht.

Später wurde der tiefe Stand mit nach außen gedrückten Knien eingeführt – mehr als Körperertüchtigung und aus ästhetischen Gründen, denn zu kämpferischen Zwecken. Wie auch in Tai Chi und Yoga gelehrt, stärken tiefe Stehübungen die „innere“ Muskulatur, welche eine andere Kraftübertragung möglich macht, als wenn man nur mit „äußerer“ Muskulatur arbeitet.

Die aktuelle, moderne Interpretation von kiba-dachi in der Tekki Kata zielt auf die Verbindung von Standfestigkeit mit Beweglichkeit. Der Fokus liegt daher nicht mehr im Auseinanderdrücken der Knie bis auf die Höhe der Zehen, sondern in einem Stand mit leicht nach Innen gerichteten Knien — siehe Foto ganz oben mit Okuma Sensei.

Dadurch ist es möglich, Spannung an der Außen- und Innenseite der Beine aufzubauen und gegenseitig auszugleichen, was die Beweglichkeit der Hüfte ungemein erhöht.

Kata Tekki im Wandel — meine persönliche Erfahrung

Als ich vor über 30 Jahren mit Karate anfing, wurden die Kata Tekki 1-3 im tiefen kiba-dachi gelehrt, mit den Knien nach außen gedrückt, bis auf Höhe der Zehen. Dabei war vor allem die Spannung an der Außenseite der Beine wichtig. Die Armtechniken wurden ohne Hüfteinsatz durchgeführt, weil das oberste Prinzip ein starker (und starrer) Unterbau war.

Unser gestrenger Sensei hat großen Wert auf exakte Körperhaltung gelegt und penibelst jeden Knie-Wackler korrigiert. Obwohl wir Tekki Shodan unzählige Male übten, konnte ich mich nie wirklich damit anfreunden – zum Beispiel im Vergleich zu Nijushiho, meiner Lieblings Kata, wirkte Tekki steif und abgehackt.

Vor etwa 15 Jahren, im Zuge meiner ersten Karate Reise ins JKA Honbu Dojo nach Tokyo, änderte sich meine Einstellung zu den Tekki Kata grundlegenst. Für mich ganz neu, wurde dort sehr wohl die Hüfte eingesetzt, und zwar mit kurzen, zackigen Impulsen, die der Kata plötzlich ungeahnte Dynamik und Eleganz verschafften.

Noch Monate nach meiner Rückkehr aus Japan musste ich am Hüfteinsatz arbeiten bis es sich halbwegs richtig anfühlte.

Sinn und Unsinn von Kata Bunkai (Analyse bzw. Anwendung der Kata)

Viele Karateka philosophieren endlos über möglichst „realistische“ Anwendungen der Kata Techniken und vernachlässigen dann Kata wie Tekki, weil diese aufgrund des „unflexiblen“ kiba-dachi anscheinend wenig Nutzen im Kampf bringen.

Dabei wird übersehen, dass Kata niemals nur als Kampfanwendung betrachtet wurde. Wie schon erwähnt, war Kata immer auch Körperertüchtigung, vor allem aber Automatisierung von Bewegungsabläufen.

Die Anwendung der gelernten Technikabläufe besteht nicht einfach in der Eins zu Eins Übertragung der Kata Sequenz auf einen Gegner, sondern vielmehr in einer situativen, flexiblen Anwendung. Beispielweise kann man vom Anfang der Kata Tekki Shodan den Haishu-uke mit folgendem Empi-uchi auch aus Zenkutsu-dachi durchführen und dann für einen Wurf des Gegners in kiba-dachi wechseln.

Es geht grundsätzlich darum, durch das vielmalige Wiederholen in der Kata, die Techniken in der Kampfsituation automatisch abrufbar zu machen.

Die Okuma Challenge — 10.000 Tekki pro Jahr

Nachdem ich nun schon jahrelang Stand und Hüfteinsatz trainiere, konnte ich am letzten Gasshuku in Tschechien eine neue Dimension an Tekki Erfahrung kennenlernen.

Okuma Sensei hat sich nicht nur zum Ziel gesetzt, insgesamt jemals 10.000 Tekki Kata zu üben, wie von den alten Meistern festgehalten, sondern diese Zahl JÄHRLICH zu absolvieren. Das Resultat ist eine Dynamik und Eleganz, die ich bei einer Kata im Seitwärts-Stand nie für möglich gehalten hätte.

Natürlich musste ich mir nach dem Vorbild Okuma´s das gleiche Ziel setzen – mindestens 30 Tekki am Tag, egal wo ich bin und egal was ich sonst mache!

Die Franz Challenge — Tekki Sandan am Surfbrett

Im Urlaub in Griechenland kam mir dann die Idee, die Standfestigkeit auch am Surfbrett zu üben. Das ist eine ganz andere Erfahrung, am schwankenden Brett im Vergleich zur stabilen Erde.

Wie oben bereits erwähnt ist eine Balance zwischen Spannung und Entspannung wichtig, um gut zu stehen und gleichzeitig beweglich zu sein. Am Brett gilt das noch viel mehr: ist zuviel Spannung in den Oberschenkeln fliegst du sofort – das Wasser ist immer stärker! Stehst du jedoch zu locker, wackelst du dauernd hin und her und fliegst schließlich auch 😊.

Nachdem ich bei den ersten Kata Versuchen nur „water boarding“ an mir selber betrieben habe, begann ich ganz von vorne – im lockeren kiba-dachi einfach nur am Brett stehen und lernen, die Wellenbewegungen in mir aufzufangen (innere Muskulatur!) und auszugleichen. Nach etwa einer Woche endlich geschafft: Tekki Sandan am Stand!

Zunächst hielt ich es für unmöglich, auch Schrittfolgen am Brett zu machen, aber nach ein paar Tagen und viiieeelen unfreiwilligen Wasserlandungen, war es nicht mehr ganz so unrealistisch, auch eine Tekki Kata mit Bewegung am Brett zu machen.

Da man durch das Steigen zeitweise nur auf einem Bein steht, ist es noch herausfordernder die Wellenbewegungen auszugleichen. Dabei ist es wichtig, den Körper von den Fußsohlen unten bis oben zum Kopf „durchgängig“ zu machen; d.h. eine Welle durch den ganzen Körper hindurch zu absorbieren. Es ist nicht einfach, alle Aspekte zu beschreiben – einfach mal selber probieren und nicht aufgeben !

Nach zwei Wochen war es dann tatsächlich so weit: Tekki Sandan am Brett, komplett mit Schrittfolgen 😊 !

Der Urlaub hat sich also ausgezahlt, und die Conclusio der Geschichte …

Hang loose 🤙

Tekki Sandan am Surfbrett

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